Die
Praxis zeigt, dass LegasthenikerInnen häufig die Welt mit ihren Problemlösungsstrategien
und Normen als mühsame Anforderung und sinnlose Provokation erleben. Aus
dem Blick des Kindes wäre es energetisch effizienter, wenn jede/r so schreibt
wie er/sie will. Legasthene Kinder bieten ja zudem auch sinnvolle Lösungen
- Behthoven, Beethofn, Bedhofenn - in ihrem jeweiligen individuellen Kontext.
Rechtschreibschwäche kann unter diesem Aspekt somit auch als eine andere
Form von „Richtigkeit, in der Welt zu sein“ verstanden werden und
weniger „objektivierend“ als Defekt.“ 2
Gelegentlich hilft es entscheidend bei der Betreuung legasthener Kinder, explizit
auf die Problematik komplett individualisierter Rechtschreibung und auf die
Notwendigkeit einer normierten Rechtschreibung als Bedingung der Möglichkeit
gemeinsamer Kommunikation hinzuweisen, indem die Relevanz normierter Sprachkultur
erfahrbar gemacht wird. So erweist es sich als hilfreich, einen einfachen Text
stark verzerrt mit vielen individuellen Rechtschreibweisen anzubieten, um die
damit verbundene Kommunikationserschwernis bzw. Verunmöglichung erfahrbar
zu machen und so zu einer Akzeptanz der Sinnhaftigkeit allgemeiner Rechtschreibkonventionen
hinzuführen.
Oft lernen Kinder aufgrund der beschriebenen Relevanz-Erfahrung sprunghaft dazu
und sind um eine „korrekte“ Rechtschreibung plötzlich sehr
viel mehr bemüht, und das obwohl scheinbar „fast gar nichts“
passiert ist. Offenbar geht es aber gerade um dieses „Fast gar nichts“,
um die Transparenz der Relevanz normierter Schreibkultur, um die Einsicht in
den Konnex von „Wahr-nehmung“ und „Wahr-gebung“. 2